![](/images/headers/CREATE_Banner.png)
Ergebnisse der Produktanalyse – Teil 2: Viele gute Ansätze, aber...
Blogreihe: „Wie viel „grün“ steckt in der Wohngebäudeversicherung?“
In unserem letzten Beitrag haben wir uns in einem ersten Schritt die nachhaltigen Mehrleistungen in den Pre-mium-Wohngebäudepolicen von 34 Sachversicherungen genauer angesehen. Und festgestellt: „Da steckt be-reits jetzt sehr viel transformatives Potenzial drinnen“. Warum uns trotzdem nicht wirklich zum Feiern zumute ist, darum soll es hier gehen.
Denn je tiefer man ins Detail geht, auf umso mehr Einschränkungen und Hemmnisse stoßen wir.
![THG-reduzierendes Workpotenzial.PNG](/images/THG-reduzierendes_Workpotenzial.PNG)
Abbildung 1: Existierende hemmende Faktoren in der Wohngebäudeversicherung
Merkmale von Premiumtarifen
Die auffälligste, aber am wenigsten überraschende Einschränkung ist, dass gerade die transformativen Nachhaltigen Mehrleistungen (siehe letzter Blogbeitrag) fast ausschließlich in den Policen mit den größten Leistungsumfang enthalten waren, also in den „Top Plus“-/“Premium“-/“Exklusiv“-Tarifen usw. Es gibt zwar keine öffentlich verfügbaren Daten dazu, aber klassischerweise wählen die meisten Versicherungsnehmer den „mittleren“ Tarif, also nicht das Top-Produkt. Entsprechend selten könnten diese Merkmale im Schadensfall also zum Tragen kommen. Zwar gibt es einzelne Versicherungen, die bereits in der „Standardvariante“ nachhaltige Mehrleistungen enthalten, aber dies ist eben nicht Standard (und auch nur mit deutlich eingeschränkten Konditionen, mehr dazu später).
Transformative Mehrleistungen sind selten
Und damit kommen wir direkt zu unserem nächsten hemmenden Faktor: Viele transformative Mehrleistungen sind nach wie vor eher die Ausnahme, selbst in den Premium-Varianten. In den Kuchendiagrammen der einzelnen Klauseln kann man erkennen, bei wie vielen Versicherungen dieses Merkmal grundsätzlich verfügbar ist, al-so entweder direkt über die Premium-Variante (dunkleres grün) oder über die Buchung eines optionalen kostenpflichtigen Zusatzbausteins (helles grün). In grau aufgeführt ist die Anzahl der Versicherungen, bei denen diese Merkmale Ende 2023 noch nicht buchbar war.
![Detailblick auf wesentliche nachhaltige Mehrleistungen.PNG](/images/Detailblick_auf_wesentliche_nachhaltige_Mehrleistungen.PNG)
Abbildung 2: Detailblick auf wesentliche nachhaltige Mehrleistungen.
Fazit: Hohes Wirkpotenzial, aber Merkmale derzeit nur in sehr wenigen Premium-Policen / Zusatzbausteinen enthalten.
Starke Abweichungen in den Konditionen
Wenn man sich mit den einzelnen Klauseln im Detail beschäftigt, dann fällt vor allem eines auf: Aufs Kleingedruckte kommt es an! Denn selbst wenn solch eine transformative Klausel in der Premium-Variante nun grundsätzlich vorkommt, heißt das noch lange nicht, dass es auch im konkreten Schadensfall tatsächlich Wirkung entfaltet. Hintergrund ist, dass in den umfangreichen Versicherungsbedingungen für jedes Leistungsmerkmal konkrete Bedingungen definiert sind, ab wann und bis zu welchem Betrag geleistet wird. Und gerade hier trennt sich die Spreu vom Weizen.
Hier ein Beispiel der Ergebnisse zur Klausel „Mehrkosten für behördlich nicht vorgeschriebene energetische Modernisierung“:
![Mehrkosten für behördlich nicht vorgeschriebene energetische Modernisierung.PNG](/images/Mehrkosten_für_behördlich_nicht_vorgeschriebene_energetische_Modernisierung.PNG)
Abbildung 3: Hemmende Faktoren am Beispiel der "Übernahme für "Mehrkosten für behördlich nicht vorgeschriebene energetische Modernisierung".
Dieses Merkmal ist immerhin bei 24 von 34 Versicherungen vorhanden, bei 9 Versicherungen jedoch nur über die Buchung eines optionalen kostenpflichtigen Zusatzbausteins (helles grün). Noch spannender ist jedoch, dass wir in den eckigen Klammern „[...]“ die Bandbreiten der gefundenen einschränkenden Bedingungen von niedrigstem Wert bis zu höchstem gefundenem Wert aufzeigen. Im besten Falle die Klausel wirksam, so-bald ein Schaden in Höhe von 10.000€ entstanden ist oder in einem anderen Fall 10% Zerstörung am Wohngebäude festgestellt worden sind, im schlechtesten Falle tritt die Klausel erst ab einer Zerstörung von 50% Zerstörung oder 100.000€ an festgestelltem Schaden ein.
Ein besonders „schönes“ Beispiel ist die folgende Klausel in Bezug auf „Mehrleistungen für Prävention“ welche wir direkt aus einer Police entnommen haben: Übernahme der „Mehrkosten zur Optimierung oder Neuanschaffung von Brandschutzeinrichtungen infolge eines erheblichen Versicherungsfalls, wenn Ihr Wohngebäude zu mehr als 50% zerstört wurde, bis zu 1.000€.“
Die festgestellten Abweichungen zwischen den untersuchten Versicherungen sind also enorm. Das gleiche Bild ergibt sich auch, wenn man die maximale Leistungshöhe untersucht. Teilweise werden im geringsten Fall nur bis zu 5.000€ an Mehrkosten durch die Versicherung übernommen, bei anderen Versicherungen bis zu 50.000€ an Mehrkosten bzw. gänzlich offen formuliert „tatsächlich anfallende Mehrkosten“.
Fazit: Gerade bei einem sehr eingeschränkten Leistungsversprechen ist daher die Annahme, dass die Anwendung einer nachhaltigen Mehrleistung häufig mit deutlichem Eigenanteil durch die Geschädigten mitfinanziert werden müsste, also die Durchführung von nachhaltigen Maßnahmen mit teilweise hohen eigenen Kosten verbunden sein kann. Umso niedriger die Wahrscheinlichkeit, dass solch eine Klausel im Schadensfall zum Tragen kommt, selbst wenn diese grundsätzlich in der Police enthalten wäre.
Aufs Kleingedruckte kommt es an
Als Versicherungskundin und -kunde steht man also vor großen Herausforderungen, wenn man sich für wirk-same nachhaltige Leistungsmerkmale in seiner Wohngebäudepolice interessiert. Immerhin berichten mittler-weile immer mehr Versicherungen aktiv auf ihren Webseiten über enthaltene nachhaltige Merkmale. Hier können die Versicherungen einiges tun, um mehr Transparenz zu schaffen: Klare Kennzeichnung von nach-haltigen Merkmalen, (z.B. durch ein grünes Blatt). Info-Grafiken/Tabellen mit deutlich aufgezeigtem Leistungsumfang & Bedingungen, Erläuterungen zu nachhaltigen Aspekten in den Produkt-FAQs, Erklärvideos oder über separate Produktseiten für die „Grüne Wohngebäudeversicherung“ bzw. „Nachhaltige Zusatzbausteine“ usw. Leider bleibt das häufig noch die Ausnahme, und allzu oft findet man diese Informationen nur durch den Download der umfangreichen Vertragsbedingungen (separates pdf, meist über 30 Seiten lang).
Wichtig ist, dass im Versicherungsfall einzig das zählt, was in den Versicherungsbedingungen für den gewählten Tarif garantiert wird, egal was auf der Webseite stehen mag.
Online-Vergleichsportale keine Hilfe
Bei all der Komplexität und Vielfalt der Konditionen und Bedingungen unter den unzähligen und unterschiedlichen Versicherungsangeboten könnten die bekannten Online-Vergleichsportale einen guten Überblick schaffen. Leider ist das Thema Nachhaltigkeit bzw. nachhaltige Merkmale bisher noch kein Auswahl-/Filterkriterium (außer PV-Anlage: ja/nein). Als „grünes“ Kriterium ist einzig „Vertragsunterlagen nur digital“ mit einem grünen Blatt gekennzeichnet. Hier besteht dringender Handlungsbedarf!
Fazit
Alles in allem wird es KundInnen alles andere als leicht gemacht! Eine wirklich nachhaltige Versicherung mit fairem Leistungsumfang zu finden kostet Zeit und ist mühsam. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf: Auf Kundenseite, aber vor allem bei den Versicherungen, Versicherungsmaklern und Online-Vergleichsportalen.
Bis das nicht gemacht ist bleibt als ernüchterndes Fazit der Produktanalyse leider nur festzustellen: All die positiven transformativen Potenziale der Wohngebäudeversicherung kommen derzeit im Wesentlichen so gut wie nicht zum Tragen!
Genau hier möchten wir aber im CREATE-Projekt ansetzen und arbeiten unter Hochdruck daran, hier Maßnahmen zu entwickeln und aktiv Verbesserungen anzustoßen. Es bleibt also spannend!
Wichtige Informationen
Zur Erinnerung: Datenquelle ist die Ende 2023 im Rahmen unseres Forschungsprojektes CREATE durchge-führte Produktanalyse der Premiumtarife von 34 Wohngebäudeversicherungen. Untersucht haben wir da-für die Webseiten der Versicherungen, sind auf die Produktseite der Wohngebäudeversicherung gegangen und haben die umfangreichen Versicherungsbedingungen durchgearbeitet. Wo möglich, wurden auch Online-Tarif-Rechner anhand eines Musterhauses befüllt. All diese Informationen wurden ausgewertet und die einzelnen Klauseln miteinander verglichen.
Wichtig: Die von den Versicherungen angebotenen Tarife & Tarifmerkmale verändern sich beständig, daher können sich seit unserer Analyse im Oktober und November 2023 Änderungen ergeben haben. Wir gehen aber davon aus, dass die Grundaussagen zu den hemmenden Faktoren weiterhin Bestand haben.