»Was Versicherungen für die Verbreitung von Klimawissen tun können« beim DIFU-Seminar
Der Vortrag von Marcus Reichenberg »ESGberatung durch Klimaweiterbildung. Klimaanpassung durch intrinsische Motivation« wurde im Rahmen des DIFU-Seminars »Klimaangepasst bauen und sanieren« am 21.02.2017 in Berlin gehalten. Den Vortrag finden Sie untenstehend und als Download.
Klimaanpassung – ein Statement der Greensurance Stiftung
Ich soll Ihnen heute erläutern, was der Anlass unserer Aktivitäten zur Klimaanpassung war. Und es ist einfach zu beantworten: „Wir haben uns niemals um den singulären Begriff der »Klimaanpassung« bemüht“. Wir sehen unsere Arbeit im großen Kontext des anthropogenen Treibhauseffektes, der unsere Lebensgrundlage verändert und unsere Lebensweise, ausbeuterisch aus dem unermesslichen Reichtum der Natur zu schöpfen, immer mehr in Frage stellt.
Denn zur Klimaanpassung (Adaptation), das zeigt unsere Erfahrung, sind Menschen nur dann bereit, wenn Sie aus einem leidvollen Erfahrungsschatz das notwendige Bewusstsein entwickeln, durch regulatorische Maßnahmen gezwungen oder durch Dritte soweit sensibilisiert werden, dass sie Prävention vor Risiko stellen und Verantwortung für die Zukunft übernehmen wollen.
Das Hochwasser
Polling in Oberbayern, der 05.06.2016: eine Vb-Wetterlage (DWD 2017) lässt weitere 50 Liter pro Quadratmeter in sechs Stunden auf wassergesättigte Böden abregnen (Kachelmannwetter.de 2017). Die Folge ist ein Hochwasser, welches die Alten als nie dar gewesen beklagen und den Betroffenen die wirtschaftliche Existenz unvorhergesehen raubte. Kellerräume wurden binnen Minuten zu lebensgefährlichen Fallen und nur durch Glück waren keine Menschenleben zu beklagen. Denn durch das Hochwasser bedingte Gefahren lauerten überall. Überschwemmte ausgehobene Gullis drohten zu verschlingen, Stromschlag in den überfluteten Häusern bedrohte Bewohner und Helfer.
Der Öltank
Die Katastrophe wurde umso schlimmer, als gegen Aufschwimmen nicht gesicherte Heizöltanks umkippten und das Hochwasser in eine widerlich stinkende fossile Brühe verwandelte. Der weitere Umwelt- und Sachschaden durch das Heizöl war immens. Freiwillige Helfer, die Feuerwehr, der technische Hilfsdienst, die Betroffenen standen fassungslos nach dem Abpumpen der zu entsorgenden Giftbrühe in stinkenden Häusern, die damit unbewohnbar waren. Was sollte getan werden?
Die Betroffenen
Nun gab es in Polling zwei Arten von Betroffenen. Die gegen Elementarschäden Versicherten und eben diejenigen, die darauf vertrauten, dass es in Polling niemals zu einem Hochwasserschaden kommen würde und keinen Versicherungsschutz hatten. Während den Versicherten schnelle Hilfe zu Teil wurde, hofften die nicht Versicherten auf staatliche Hilfe. Diese wurde durch das Bayerische Zuschussprogramm auch gewährt (Bayerische Staatskanzlei 14.06.2016). Allerdings gehört zu einem der sieben größten Irrtümer über den Versicherungsschutz gegen Naturgefahren, dass ein Rechtsanspruch auf staatliche Hilfe bestehen würde (GDV 31.05.2016).
Stakeholder der Katastrophe
Bei der Beseitigung der Hochwasserschäden trafen im Hochwasserschadensgebiet folgende Personen zusammen, die im Sinne einer klimaangepassten Schadensbeseitigung hätten agieren müssen: 1) Betroffene, 2) Generalsanierer (Bautrockner), 3) Behörden, 4) Versicherer, 5) Sachverständige, 6) Heizungsbauer. Das Erschreckende dabei war, dass keiner der betroffenen Stakeholder über seinen eigenen Tellerrand hinaus dachte; was darauf angesprochen, sich im mangelnden Bewusstsein äußerte.
Der Heizungsbauer etwa wurde nicht müde, trotz des Gestankes im und außerhalb des Gebäudes, die Vorteile der Heizöl-Brennwerttechnik anzupreisen. Das der Einbau seiner favorisierten, fossilen Heizöltechnik mit einer Nutzungsdauer von über 20 Jahren eine energie- und klimarelevante Fehlinvestition ist und jeglicher »Energieeffizienzstrategie Gebäude« (BMUB, Klimaschutzplan 2050) widerspricht, kam ihm nicht in den Sinn.
Der Versicherer, vertreten durch seine Sachverständige, wusste um seine Pflicht der Regulierung zum Neuwert in gleicher Art und Güte, einschließlich von Mehrkosten für den aktuellen Stand der Technik (GDV, 01.01.2013). Den Hochwassergeschädigten wurde jedoch keine Leistung für die energetische Sanierungsberatung eines Energieberaters zugesprochen, obwohl sich die Sanierungskosten durch BAFA-Zuschüsse hätten drastisch senken lassen können (Engergie-Fachberater.de, 21.08.2013). Mehrkosten für Risikopräventionsmaßnahmen zum Hochwasserschutz, wie wasserdichte Kellerfenster und -türen sollten ebenfalls nicht Gegenstand der Leistungsentschädigung sein. Die Heizungserneuerung durfte nur in gleicher Art und Güte erfolgen, Mehrkosten für den Einsatz von Erneuerbaren Energien wurden mit Bedingungshinweis abgelehnt. Der Versicherer mit seinen Sachverständigen und dem Heizungsbauer postulierten somit im gleichen Tenor.
Da die Behörden (Landratsamt und Wasserwirtschaftsamt) großzügig über den Ölunfall hinwegschauten, keinerlei Bodenproben nahmen und keine Anweisungen hinsichtlich einer zukunftsorientierten Sanierung gaben, handelten die Betroffenen in ihrer Notlage analog den gegebenen Empfehlungen und Anweisungen.
Der ESGberater – Fachberater für nachhaltiges Versicherungswesen - Klimastrategen
Um den oben beschriebenen rückwärtsgewandten Akt des Handelns zu durchbrechen, braucht es ein aufgeklärtes Bürgertum, eine verfügende Politik und eine auf nachhaltige Entwicklung ausgerichtete Wirtschaft. Natürlich ist es eine Utopie daran zu glauben, dass das Bürgertum, die Politik und die Wirtschaft als zukunftsorientierte Entscheidungsträger miteinander auftreten. Der kleinstmögliche Anspruch deshalb ist, dass zu mindestens ein Entscheidungsträger zukunftsorientiert interveniert. Die Greensurance Stiftung, per Satzungszweck dazu aufgerufen, das Klima global zu schützen, die nachhaltige Entwicklung zu fördern, einen Green Life Lifestyle und ein Green Management zu fördern und eine zukunftsfähige Versicherungs- und Finanzbranche zu prägen (Greensurance Stiftung 2017), hat sich deshalb der Graswurzelbewegung im ersten Schritt verschrieben. Da politische Bürokratie und große Versicherungskonzerne ein Bewegungsverhalten aufweisen wie große marine Supertanker, soll die »Große Transformation« (Schellnhuber et al., 2011) von unten heraus angestoßen werden.
Unser Anstoß ist die »Bildung für nachhaltige Entwicklung« um der »Green Economy« (BMBF et al., 2017) in der Versicherungsbranche einen Weg zu bereiten. Die Stiftung entwickelt das Weiterbildungsangebot zum »ESGberater, Fachberater für nachhaltiges Versicherungswesen© — Klimastrategen« (s. auch: www.klimastrategen.de; BMUB gefördert, FKZ 03DAS063). Eine blended learning Offerte für Versicherungsberater und Entscheidungsträger der Versicherungsbranche. Mit neuester Internettechnik werden angehende ESGberater im virtuellen Klassenzimmer durch Webseminare geschult. Für die Präsenzphasen steht ein Methodenkoffer, der Nachhaltigkeit erlebbar macht, zur Verfügung. Denn Bewusstsein für Nachhaltigkeit kann sich nicht ausschließlich durch einstudieren entwickeln – sondern erwächst aus erlebbaren Naturerfahrungen. ESGberater sollen intrinsisch motiviert sein, sollen Klima-Risikoprävention in ihre Beratung, in ihre Produktempfehlungen und in ihr Schadensmanagement einfließen lassen. Auch im Sinne ihrer eigenen nachhaltigen Entwicklung sollen sie sich durch ihre ESG-Bildung vom konventionellen Markt abheben und durch authentisch nachhaltiges Handeln Erfolg haben. Ganz nach dem Greensurance®-Motto: »Klimaschutz von heute ist Schadenprävention für morgen«.
Zurück nach Polling: Ein ESGberater hätte im Sinne des Klimaschutzes und der Klimaanpassung interveniert und mit den Stakeholdern verhandelt. Durch das ESG-Wissen, das ESG-Bewusstsein und durch die intrinsische Motivation des ESGberaters wird im Sinne der Risikoprävention gehandelt, für den Schutz von Mensch und Umwelt und letztendlich aufgrund ökonomischer Berechnung und Logik.
Verfasst von Marcus Reichenberg, Geschäftsführer der Greensurance Stiftung